Interview mit Chris Lind

Heute steht mir die Autorin und Mit-Tintenzirklerin Chris Lind Rede und Antwort und ich freue mich schon auf Ihre Antworten! Weil unser Interview ein bisschen länger geworden ist, werde ich es wohl in zwei Teilen einstellen. Nächste Woche gibt es dann also die Fortsetzung. Jetzt aber viel Spaß!

 

Lia: Hallo Chris, es freut mich sehr, dass du dir die Zeit nimmst und mir ein paar Fragen beantworten willst! Ich habe ja schon eine Weile auf deiner Webseite gestöbert und auch deine interessanten Blogs zum Thema Schreibhandwerk gelesen und da habe ich auch schon die erste Frage:

Nach deinem Blog-Eintrag „Den Plot im Blick behalten“ bist du auf jeden Fall eine Planerin, oder? Hast du schon mal probiert einfach so drauflos zu schreiben oder hast du immer schon deine Geschichten geplant? Hast du eine Lieblingsplotmethode?

 

Chris: Hallo Lia, ich freue mich, deine Fragen zu beantworten. Mein Blog täuscht – ich bin eine Bauch-Plot-Schreiberin. Um eine Geschichte beginnen zu können, benötige ich drei Dinge: eine Idee, die (Haupt-)Figuren und das Ende. Wenn das alles da ist, beginne ich, drauflos zu schreiben, bis ich etwa 150 Seiten geschrieben habe. Allerdings nicht chronologisch, sondern wie es mir mein Muserich, ein äußerst widerspenstiges Kerlchen, gerade eingibt. Erst dann beginne ich zu strukturieren und die Geschichte systematisch anzugehen. Dann aber richtig mit Tabellen, einer Metaplan-Wand, Karteikarten …

 

Ein oder zwei Romane habe ich von Anfang an geplottet, um das Verfahren auszuprobieren und fand es anstrengend, die Geschichte bis zum Ende durchzuhalten, weil sie nur noch wenige Überraschungen bot. Reines Drauflosschreiben hat für mich auch nicht funktioniert; dafür bin ich dann wohl doch zu systematisch. Daher habe ich dieses Mischverfahren für mich entwickelt, mit dem ich am besten fahre.

 

Lia: Interessant finde ich auch, dass deine Figuren erst nach dem Schreiben des ersten Entwurfs Namen erhalten und du vorher Namen aus deiner Familie oder deinen Freunden nimmst, um die Figuren lebendig zu machen. Bekommen denn dann die Figuren automatisch auch Charaktereigenschaften der realen Vorbilder oder hast du trotzdem einen ganz anderen Menschen im Kopf für eine Figur? Warum suchst du die Namen für die Figuren nicht schon am Anfang aus?

 

Chris: Für mich sind die Namen wirklich reine Platzhalter, aber mein Unbewusstes sieht das etwas anders. Herausgefunden habe ich das, als ich der Tochter meiner Freundin mein Jugendbuch zum Testlesen gab. Eine Figur trug den Namen meiner Freundin und ihre Tochter fand es lustig, dass die Figur sich beim Nachdenken an der Nase kratzte, so wie ihr Namensvorbild. Ich war vollkommen überrascht, weil mir nicht einmal bewusst war, dass meine Freundin sich nachdenkend die Nase kratzt. J

 

Ich muss meine Figuren erst besser kennenlernen, damit ich ihnen den passenden Namen geben kann. Für mich sind Namen sehr wichtig und ich versuche, welche zu finden, deren Bedeutung zu meinen Figuren passt.

 

Lia: Oh, ich habe gelesen, dass du auch schon ein Seminar an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel besucht hast. Ich war auch schon einige Male dort und fand es auch jedes Mal toll. Welches Seminar hast du besucht oder warst du schon auf mehreren dort?

 

Chris: Oh, ich war auf mehreren. Angefangen habe ich mit einem Seminar zu Science Fiction Kurzgeschichten, das so spannend und lehrreich und mit spannenden Mitschreibenden war, dass ich seitdem versuche, mindestens ein Seminar pro Jahr zu besuchen. Leider steht mir mein Brotberuf da im Weg. Allen Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen zu schreiben, lege ich die Bundesakademie ans Herz.

 

Lia: 2006 hast du angefangen, Kurzgeschichten zu veröffentlichen. Es gibt eine beachtliche Liste auf deiner Webseite (www.christianelind.de), dabei hast du alle möglichen Genres ausprobiert. Schreibst du noch immer Kurzgeschichten? Hast du dafür ein Lieblingsgenre oder nutzt du die Chance von Wettbewerben eher dazu, Neues auszuprobieren?

 

Chris: Kurzgeschichten waren für mich der Einstieg ins Schreiben, einen Roman habe ich mir zu Beginn nicht zugetraut. Inzwischen fehlt mir leider die Zeit für kurze Geschichten, obwohl ich immer noch schaue, was es für Ausschreibungen gibt. Mich muss ein Thema ansprechen, damit ich eine Geschichte schreiben kann. Das Genre ist mir da eher egal.

 

Lia: Unter deinem neuen Pseudonym Clarissa Linden ist dieses Jahr der Roman „Ich warte auf dich Tag für Tag“ erschienen, ein Familiengeheimnis-Roman. Warum hast du für diesen Roman ein neues Pseudonym benutzt, ist er so anders als deine bisherigen Romane oder hat dich der Verlag darum gebeten?

 

Chris: Die Bitte, ein neues Pseudonym zu nutzen, kam von Verlagsseite. Ich habe dann alle Namen mit C und L zusammengesucht, die ich mir vorstellen konnte und Christine Steffen-Reimann von Knaur hat dann „Clarissa Linden“ ausgewählt.

 

Lia: Du schreibst sehr gerne über ferne Länder, hast selbst lange Zeit in den USA gelebt. Als Sehnsuchtsorte beschreibst du unter anderem Berkeley, Frankfurt am Main, Barcelona und Stockholm. Warum diese Orte? Was verbindest du mit Ihnen und hast du alle schon einmal persönlich besucht?

 

Chris: Da fange ich mit der letzten Frage an: Ja, die Orte habe ich alle bereist und konnte daher auf viel Material zurückgreifen. Bereits vor der Entscheidung, Geschichten zu veröffentlichen, habe ich Reisetagebuch geführt, um meine Erlebnisse festzuhalten. In Berkeley habe ich mich bereits auf meiner ersten USA-Reise auf den ersten Blick verliebt. Ich mag das Flair dieser Stadt, die Mischung aus Studentischem und Hippietum. Als ich nach einem Ort suchte, in den eine Buchhandlung wie „Books Charlotte loves“ passen könnte, fiel mir sofort Berkeley ein.

Stockholm habe ich dank eines Freundes kennengelernt, der ein Jahr in Schweden lebte – in Uppsala (den Namen finde ich einfach unwiderstehlich). Eine wunderschöne Stadt mit entspannten Menschen, viel Geschichte und noch mehr Wasser.

Wenn Architektur nicht mit Mathe verbunden wäre, hätte ich das Fach gerne studiert. Mich faszinieren schöne Gebäude und unterschiedliche Architekturstile. Barcelona ist daher – in meinen Augen – eine der schönsten Städte der Welt.

Auch Frankfurt hat auf der Architekturseite einiges zu bieten und ich mag die Stadt, weil sie so viele Seiten hat und den Fluss.

 

Lia: Kurzgeschichten hast du in verschiedenen kleineren und größeren Verlagen veröffentlicht, „Die Geliebte des Sarazenen“ war dein erster Roman und erschien gleich bei Rowohlt. Hast du dein Manuskript selbst eingeschickt oder hattest/hast du eine Literaturagentur? War „Die Geliebte des Sarazenen“ das erste Romanmanuskript, mit dem du dich bei einer Agentur oder einem Verlag beworben hast?

 

Chris: Die Geliebte habe ich für eine Ausschreibung geschrieben: „Rowohlt sucht den historischen Roman“. Kurz vorher hatte ich „Königreich der Himmel“ gesehen und fand es sehr spannend, dass Menschen unterschiedlicher Religionen für eine Zeitlang (relativ) friedlich miteinander lebten. Als ich dann die Ausschreibung von Rowohlt entdeckte, hatte ich die Idee, eine Christin und einen Muslimen in Jerusalem zusammen leben zu lassen. Allerdings weigerte sich meine Heldin, sich sofort zu verlieben, so dass die Geschichte ganz anders entwickelte als erwartet.

 

Eine Literaturagentur habe ich mir erst gesucht, nachdem „Die Geliebte des Sarazenen“ veröffentlicht war.

 

Ja, „Die Geliebte“ war mein erstes Manuskript, das ich auch speziell für die Ausschreibung geschrieben habe. Natürlich gibt es noch ein paar Vorgänger, die ich immer mal wieder anschaue, aber bisher noch nicht veröffentlichungsreif finde.

 


So weit erstmal mit unserem Interview, nächste Woche poste ich den zweiten Teil!